Fruchtbar und produktiv zugleich
Die Zucht auf Fruchtbarkeitist in den letzten Jahren Rassenübergreifend rasant vorangeschritten.
Mittlerweile wird der Fokus aber stärker auf Produktivität gerichtet, wie ein Blick zu unsren Nachbarn nach Frankreich zeigt.
Möglichst fruchtbare Sauen und viele lebend geborene Ferkel waren die meistdiskutierten Ziele der Zuchtunternehmen in den letzten 20 Jahren weltweit. Die Fruchtbarkeit hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Am Beispiel der französischen ADN- Genetik zeit sich, dass die Anzahl, der Ferkel die lebend geboren wurden, in den letzten zehn Jahren pro Wurf von 11,5 auf 13,4 angestiegen ist. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Ferkel, die abgesetzt wurden, von 10,2 auf 11,7 pro Wurf.
Der kontinuierliche Anstieg der Fruchtbarkeit hat aber negative Folgen, wie zum Beispiel:
- steigende Konkurrenz der Föten in der Gebärmutter
- höhere Verluste bis zum Absetzen
- begrenztes Wachstum bis zum Absetzen
- stärkere Heterogenität der Einzelgewichte der Würfe
Deshalb wird stark diskutiert, ob eine steigende Fruchtbarkeit ökonomische Vorteile bringt.
Vor etwa 5 Jahren kam es zur Differenzierung der Zuchtziele. In Nordeuropa, geht man davon aus, dass Zuchtfortschritt nur dann möglich sei, wenn man sich auf möglichst wenig Einflussfaktoren konzentriert. In diesem Fall: Anzahl lebend geborener Ferkel. Es wird also angenommen, das lebend geborene Ferkle auch alle aufgezogen werden, zur Not mit Hilfe von Ammensauen oder künstlicher Ammen.
Dies birgt jedoch wieder Risiken, es ist ein größere Aufwand alles zu managen, wenn auch noch Ammensauen eingesetzte werden müsse. Die Ferkel sind erhörtem Stress ausgesetzt (wegnehmen von der Mutter), was die Infektionsanfälligkeit erhöht. Die Unterbrechung der Infektionskette ist mit dem Umsetzten zu einer Ammensau nicht gegeben.
In Frankreich konzentriert man sich neben der Kenngröße lebend geborene Ferkel zusätzlich darauf, dass die Sauen möglichst alleine abferkeln und die Ferkel dann auch ohne fremde Hilfe aufziehen. Um für die Zuchtarbeit wichtige Faktoren zu erfassen, wurden Sauenkarten angelegt, die folgende Daten enthalten:
- Geburtsdauer
- Interventionen (Maßnahmen/Hilfe bei der Geburt)
- Aggressivität der Sau
- Qualität der Ferkel
Damit die Sau ihr Ferkel ohne Amme alleine aufziehen kann, wurde auch das Merkmal „Anzahl funktionsfähiger Zitzen“ in die Zuchtarbeit aufgenommen. Im Jahr 2009 wurden große Fortschritte erzielt, sodass die Zuchttiere jetzt im Durchschnitt 16 funktionsfähige Zitzen aufweisen. Da dieses Zuchtziel also erreicht ist, geht es jetzt nicht mehr um die Anzahl der funktionsfähigen Zitzen, sondern um die Verbesserung der Zitzenqualität.
Nachdem diese beiden Ziele so große Fortschritte erzielt haben, ist jetzt ein anderer Parameter im Blickfeld. Die hohen Verlustraten sind nicht mehr akzeptabel, die Ferkel müssen nicht nur lebend geboren werden, sondern nach drei bis vier Wochen zu verkaufsfähigen Ferkeln herangewachsen sein. Des halb stehen folgende Ziele im Vordergrund:
- Ferkelqualität beim Absetzen maximieren, tägl. Zunahmen müssen optimiert werden
- Ferkelsterblichkeit muss indirekt verringert werden (mit Sauen züchten, die viele lebende Ferkel produziert)
- Das Ferkelwachstum bis zum Absetzen soll homogener werden
Selektiert man auf die Erhöhung des durchschnittlichen Geburtsgewichts, fördert das zwar die Wachstumsgeschwindigkeit, aber die Ungleichmäßigkeit innerhalb des Wurfs wird erhöht.
Selektiert man auf Homogenität der Geburtsgewichte, wird zwar die Wachstumsrate während der Säugezeit begrenzt, erhöht aber die Homogenität des Absetzgewichts der Ferkel.
Es besteht eine genetische Beziehung zwischen dem Geburtsgewicht und der Sterblichkeitsrate der Ferkel. Mit steigendem Geburtsgewicht sinkt die Wahrscheinlichkeit erdrückt zu werden, die Wahrscheinlichkeit tot geboren zu werden steigt allerdings an. Es muss also eine Balance gefunden werden, das Ziel ist nicht das Maximum des Geburtsgewichts sondern ein Optimum.
Wichtiges Zuchtziel ist die Selektion auf eine geringe Variation beim Merkmal „Geburtsgewicht innerhalb des Wurfs“ um somit eine Erhöhung des Minimalgewichts der Einzeltiere zu erreichen.
Deswegen sollten folgende Faktoren festgehalten werden:
- Datum und Grund bei Mortalität
- direkte/maternale Effekte durch Kenntnis der Adoptivmutter schätzen (Dokumentation des Ferkelversetzens)
- individuelle Gewichtserfassung zu verschiedenen Zeitpinkten
Mittelfristig sollte an einer Vielzahl von Zuchtzielen gearbeitet werden, um die Ökonomie der Erzeugerbetriebe zu verbessern. Beispiele:
- Sicherung des genetischen Fortschritts im Merkmal „Überlebensfähigkeit
- Erfassung des Faktors Arbeit in der Ferkelproduktion aus genetischer Sicht
- Definition eines Parameters „maternale Robustheit“ für die Ferkelerzeugung
- Beachtung des Verhaltens der Sau gegenüber dem Menschen und den nötigen gesundheitlichen Eingriffen
- Erfassung von Verlustursachen und durchgeführte Behandlungen und Indikatoren für das mütterliche Verhalten der Sau
Blick in die Zukunft:
Da die Anzahl der lebend geborenen Ferkel und die Anzahl funktionsfähiger Zitzen erfolgreich erhört wurden, müssen jetzt andere Merkmale in den Blickpunkt rücken. Die alleinige Selektion auf mehr lebend geborene Ferkel mit gleichzeitiger Selektion auf höheres Geburtsgewicht hat in der Praxis zu Problemen geführt. Deshalb werden in der Zukunft nicht maximale sondern optimale Geburtsgewichte, eine geringere Heterogenität der Ferkelgewichte, eine geringere Zahl Totgeburten und eine gute Aufzuchtleistung der Sau und geringere Saugferkelverluste benötigt.
Das Ziel ist es, die Effizienz der Ferkelerzeugung zu steigern und die Arbeitswirtschaft zu optimieren. Ammensauen sollen zukünftig nicht mehr nötig sein.
Quelle: dlz primus Schwein Ausgabe 7, Juli 2011 (Bericht: Dr. Jörg Krapoth)